Gesellschaft für Geschichte und Archäologie von Riquewihr

Gesellschaft für Geschichte und Archäologie von Riquewihr

Die Wendejahre von 1918 bis 1925

Die Art und Weise, wie die Französisierung des Elsass nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 vollzogen wurde, sollte die Begeisterung, die die Rückkehr zu Frankreich kennzeichnete, in Unbehagen verwandeln.

Dieser Aspekt der Geschichte unserer Region, der traditionell sowohl in den Geschichtsbüchern als auch in politischen Reden wenig Beachtung findet, wird oft verkannt.

Eine breite Öffentlichkeit darüber zu informieren oder gar die historische Wahrheit wiederherzustellen, ist Gegenstand dieser kleinen Ausstellung.

KURZER HISTORISCHER ABRISS

Seit dem Hochmittelalter war das Elsass Teil des germanischen Reiches. Ab dem Ende des 13. Jahrhunderts herrschte die Dynastie der Habsburger, die aus dem Oberelsass und der deutschsprachigen Schweiz stammten, über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und sollte dies auch noch Jahrhunderte lang tun.

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird das Elsass wie auch das Reich vom politisch-religiösen Krieg, dem sogenannten Dreißigjährigen Krieg, verwüstet und verliert dabei die Hälfte seiner Bevölkerung. Offiziell wird sie 1648 durch den Westfälischen Friedensvertrag beendet.

Als Teil der Kriegsparteien nahm das französische Königstum sofort die habsburgischen Ländereien im Elsass in Besitz, um nach und nach die gesamte Provinz in seine Hände zu bekommen; die Freie Stadt Straßburg ergab sich im Herbst 1681 als letzte, nachdem ihr im Falle einer Weigerung ernsthaft mit Zerstörung gedroht worden war.

Ludwig XIV. achtete jedoch darauf, seiner Verwaltung zu empfehlen, die Gebräuche im Elsass nicht anzutasten.

Im Sommer 1870 kam es zum Krieg und zur blitzartigen Eroberung der Provinz, die erst durch den Vertrag von Frankfurt im Mai 1871 offiziell deutsch wurde, wobei der Vertrag festlegte, dass das Elsass und die Mosel für immer deutsch bleiben würden. Hunderttausende Einwohner (die Optanten) werden sich dafür entscheiden, jenseits der Vogesen zu wohnen.

Doch die überwiegende Mehrheit blieb dem Land, in dem sie geboren worden waren, treu und arrangierte sich schließlich mit ihrem Schicksal im neuen deutschen „Reichsland“.

Zwei Generationen später, als 1914 der Krieg ausbrach, kämpften die elsässischen Männer, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zwangsläufig in der deutschen Uniform dessen, was ihre Heimat geworden war.

 

Der Süden des Elsass wurde relativ schnell befreit

Am 2. Dezember 1914 besucht General JOFFRE die siegreiche französische Armee und die Bevölkerung von THANN.

Während seiner Rede spricht er die Worte, die sich in das Gedächtnis der Elsässer eingeprägt haben:

UNSERE RÜCKKEHR IST ENDGÜLTIG
SIE SIND FÜR IMMER FRANZOSEN
FRANKREICH BRINGT IHNEN,
MIT DEN FREIHEITEN
DIE ES IMMER VERTRETEN HAT,
DIE ACHTUNG IHRER EIGENEN FREIHEITEN,
DIE ELÄSSISCHEN FREIHEITEN,
IHRER TRADITIONEN,
IHRER ÜBERZEUGUNGEN,
IHRER SITTEN.
ICH BIN FRANKREICH:
IHR SEID DAS ELSASS.
ICH BRINGE IHNEN
DEN KUSS VON FRANKREICH.„.

elsässisch

 


Werden diese Versprechungen eingehalten? Die Elsässer hoffen darauf…

 

Es ist Herbst 1918; man wusste, dass das Ende des Krieges nahe war. Tatsächlich wurde Deutschland von den alliierten Armeen besiegt.

Als am 11. November 1918 der Waffenstillstand verkündet wurde, hatte die Bevölkerung in den Städten und Dörfern hemmungslose Freude empfunden.

In RIQUEWIHR war man Zeuge des überstürzten Abzugs der deutschen Truppen.

Noch bevor die Zensur offiziell abgeschafft wurde, konnten die letzten Abreisenden in großen Lettern „VIVE LA FRANCE“ lesen , hastig hergestellte Trikolore-Flaggen flattern und die MARSEILLAISE singen hören.

Der Krieg war vorbei: Schikanen, Kränkungen, Nahrungs- und Freiheitsentzug, die Maßnahmen, die die deutsche Militärdiktatur während des Krieges über die elsässische Bevölkerung verhängt hatte, all das war innerhalb weniger Tage zu Ende gegangen.

Die französischen Truppen rückten zwischen dem 17. und dem 24. November schrittweise ins Elsass ein. Der Empfang der siegreichen Soldaten wurde von patriotischen Veranstaltungen begleitet, mit geschmückten und beflaggten Straßen, jungen Mädchen in elsässischer Tracht, Empfängen mit Ehrenwein und all dies zur großen Freude der Einwohner der Stadt.

Die Zeugenaussagen scheinen übereinzustimmen: Das gesamte Elsass stimmt für die Sieger.

Doch es gibt auch andere Stimmen, die kaum wahrnehmbar, aber weitsichtig sind!

Riquewihr

„Was wird aus dem Elsass und Lothringen?“

Nach 48 Jahren deutscher Präsenz wird die Wiedereingliederung des Elsass in Frankreich nicht ohne zahlreiche Probleme ablaufen:

  • Zwar waren die deutschen Soldaten wieder auf das rechte Rheinufer gezogen. Doch was sollte aus den vielen deutschen Zivilisten werden, die sich zwischen 1870 und 1918 im Elsass niedergelassen hatten?
  • Welche Zukunft wird ihren Familien, ihren elsässischen Ehepartnern und ihren als Deutsche geborenen Kindern in diesem nunmehr französischen Gebiet beschieden sein?
  • Wie sollen Kinder und Jugendliche, die bisher nur Elsässisch, ihre Muttersprache, oder Deutsch gesprochen haben, wie sollen diese Kinder die zur Pflicht gewordene französische Sprache lernen ?
  • Was wird aus den Zehn- oder Hunderttausenden Elsässern und Lothringern
     werden, die, nachdem sie durch den Frankfurter Vertrag vom 10. Mai 1871 rechtlich deutsche Staatsbürger geworden waren, in der Armee ihrer Landes gedient und loyal gekämpft hatten? Wie werden sie bei ihrer Rückkehr in das französische Elsass aufgenommen? Werden sie dort ihren Platz wiederfinden? Und werden diejenigen, die auf den Schlachtfeldern in deutschen Uniformen starben, geehrt werden können?

All diese und viele andere Fragen müssen von den neuen nationalen und regionalen Behörden geklärt und angemessen beantwortet werden…

elsässische

VIELE PROBLEME IN AUSSICHT … !

Die Situation des Elsass im Allgemeinen und insbesondere alle Probleme, die sich dort in den Nachkriegsjahren stellten, wurden vom Abgeordneten des Haut-Rhin, Charles SCHEER, in seiner Rede am 12. Dezember 1921 in der Abgeordnetenkammer angesprochen.

Seine Rede wurde daraufhin in allen Gemeinden Frankreichs ausgehängt.

Download der Rede von Charles Scheer

Im MUSEUM zeigt ein Film mit dem Titel „Pour l’Alsace, un monde en guerre“ (Für das Elsass, eine Welt im Krieg), ein außergewöhnliches Dokument, das mit Archivbildern des Armeekinos erstellt wurde, insbesondere, wie die Rückkehr unserer Provinz zu Frankreich vollzogen wurde.

Zu den Regisseuren dieses Films (Les Dockeurs) gehört Nicolas Engel aus Riquewihr.

Dauer der Vorführung: 26 Minuten.